Bernhard Sprung-Schanze, Asphaltprinz und Electrofisch absolvierten die Elf-Städte-Tour in den Niederlanden.
Man hätte fast von Schopp-Wetter sprechen können. Die Regenwahrscheinlichkeit lag vor dem Start der Elfstedenfietsentocht (also der 11 Städte Fahrradtour) bei 70 Prozent, eine heillose Untertreibung der Veranstalter. Vermutlich wollte man Schönwetter-Fahrer für die Tour gewinnen.
Axel Rabe (Asphaltprinz) mit Ina „Racy“ Dietrichs (mit Rennrad), Ingo Bartau (Electrofish) und ich (Sprung-Schanze) – hatten Glück und wurden der Gruppe zugelost, die schon um 5:32 Uhr starten durfte. Bei leichtem Nieselregen. Drei Stunden vor dem Start hatte jeder für sich eigentlich schon entschieden, nicht zu starten. Ein Schlagregen sollte ängstlichen Gemütern wohl eine gewisse Demut abringen.
Der Start in Bolsward ist perfekt organisiert. Jede Startgruppe (à ca. 600 Fahrer) rollt aus einer anderen Seitenstraße zur Startlinie. und dann los. Für einen Carbon-Fahrer war die Tour nach 200 m schon zu Ende. In der ersten Kurve wollte er die Gruppe der Klappradfahrer überholen und zerschellte am Bordstein. Zirka 237,8 km vor dem Ziel.
Wir suchten uns schnell das Hinterrad eines Tandems, um in Tritt zu kommen. Wir hatten vereinbart, die ersten zwei Stunden gemütlich anzugasen und uns irgendwo zwischen 22 und 25 km/h warm zu rollen. Irgendetwas hat mit dem Warmrollen bei 13°C nicht funktioniert, der anfängliche Nieselregen wuchs sich zur Dauerdusche aus. Man hatte die Wahl zwischen vorne in der Gruppe fahren (mit vollen Regen im Gesicht, aber sauber) und im Windschatten fahren mit der Dreckbrühe des Vordermannes bzw. der Vorderfrau zwischen Helm und Oberlippenbart.
Nach drei Stunden war der maximal mögliche Durchnässungsgrad erreicht. Schlimmer konnte es also nicht kommen. Die Radwege in Friesland sind allerdings top gepflegt, topfeben, gut gekehrt und schlammfrei . So fehlte ein bisschen die Schopp-Zugabe beim Regen. Nach drei Stunden nehmen auch die Schmerzen in der Sitzmuskulatur nicht mehr zu. Für mich, als Langstreckennovize eine beruhigende Erkenntnis.
Irgendwann lernt man als Klappradfahrer, wie sich Rennradfahrer zum Überholen ankündigen (einfach durch Geschrei), aber auch wie man dies ignoriert und das massive Stahl-Klappi erfolgreich gegen die Schalträder lehnt. Nur wenige Carbon-Fahrer weichen gerne in die Wiese aus.
Meine Stempelkarte hatte ich vorsichtshalber in einem verschließbaren Gefrierbeutel untergebracht, so blieb wenigsten die Karte einigermaßen trocken. Völlig aufgelöst waren jedoch meine Traubenzuckervorräte in der Lenkertasche. Learning: Nur wasserdicht abgepackte Nahrung mitnehmen. Das wäre angesichts der zahlreichen offiziellen Verpflegungsstellen und der unzähligen privaten Kaffee- und Kuchenanbieter aber eigentlich gar nicht erforderlich. ich rate dennoch dazu. Gereicht wurde an den Stempelstellen Bananen, eine Art Honigkuchen (lecker!), Energytuben, Isodrinks, zwei Mal Boullion und einmal sogar Käsewürfel. Vor den Stempelstellen muss man ohnehin Absteigen und schieben, da hat man Zeit für eine Verpflegung.
Auffällig die zahlreichen havarierten Rennräder, die Klappräder haben tadellos durchgehalten – lediglich das von Ingo am Rad vom Asphaltprinz im Vorfeld neu montierte Tretlager fragte nach 200 km, wie lange die Tour noch geht. Aber zu diesem Zeitpunkt will ohnehin jeder nur noch ins Ziel kommen. Als besonderes touristisches Schmankerl hatten sich die Veranstalter 20/30 km vor dem Ziel eine Route auf der Deichkrone ausgesucht. Da kam dann der Regen waagrecht von schräg vorne und die Reisegeschwindigkeit sank trotz Windschatten/-kantenfahren auf 15 km/h. na wenigstens hatten die Deichschafe ihren Spaß an der Abwechslung. Überhaupt waren wirklich viele Zuschauer an der Strecke, teils im Regencape, teil applaudierend und irgendwie vor Regen geschützt. Ganz viel Musik, teilweise live, Partyfeeling. Jeder redet mit jedem und oft bekamen wir Klappradtreter anerkennte Blick zugeworfen, ein freundliches „Respekt“ zugerufen. In Ortschaften fuhren wir langsam genug und so hatten auch Zuschauer (übersetzt: Guggemol do) ihre Freude an unseren Oldtimern.
Im Ziel war ich völlig emotionsfrei, einfach willenlos. Ab unter die heiße Dusche auf dem Campingplatz (ein hervorragend gepflegter Fußballplatz mit Naturrasen), noch eine Weißherbstschorle und aus der Ferne die Party der Abschlussfete. Die Frage eines anderen Tourteilnehmers, ob ich nächstes Jahr wieder fahren werde, habe ich einfach nicht verstanden.